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  • AutorenbildArne K. Fischer

Boyhood

Boyhood, ein Coming-Of-Age Film - so viel zur Handlung ...

Warum wird dieser Film momentan als außergewöhnlich, besonders und einzigartig beschrieben?

Sicherlich - ungewöhnlich ist, dass zum Filmstart und den Festivals keine Kinderstars für einen Publikumsbonus herhalten, da die Akteure in der 12-jährigen Drehzeit in, mit und außerhalb des Films erwachsen geworden sind. Die Handlungssequenzen starten mit dem Schulbeginn der Kinder und setzen sich circa alle zwei Jahre periodisch fort. Obwohl wir Mama Olivia (Patricia Arquette), ihre Tochter Samantha (Lorelei Linklater), Sohn Mason Junior (Ellar Coltrane) und den Vater, Mason Senior (Ethan Hawke), in gemächlich wechselnden Familienkonstellationen begleiten, liegt, wie es der Titel verrät, die Beobachtung etwas stärker auf der Verhandlung von Männlichkeit. Was uns besonders als die emotionale Auffassung von Mason Junior mitgegeben wird.

Allerdings bietet der Film in seiner erzählerischen Länge auch die Möglichkeit, viele Entscheidungen von Olivia nachzuvollziehen, wenn es darum geht, einen Wohnortwechsel, das Leben mit den verschiedenen, dominant gearteten Stiefvätern oder einen Weg ihrer beruflichen Karriere auszuwählen. Was uns narrativ in Boyhood überzeugt, ist die äußerst gelungene Mutter-Sohn Beziehung, die nach und nach, erst als Fürsorge, dann Schicksal und als Chance zur Großfamilie erlebt wird. Die heftigen Wechsel führen zu einer innigen Verbundenheit, die nie platt ausgelegt, sondern anschaulich durch kurze innehaltende Momente von Olivia und Mason ein- und ausgeatmet werden, obwohl die Mimik der beiden selten gemeinsam in einer Einstellung gezeigt wird.

Im Film sind keine Rückblenden enthalten, dafür aber echte Reflexionen der Charaktere, wenn man so will. In einem Gespräch zwischen Vater und Sohn wird klar, dass der Kleine gerne mehr Zeit mit seinem Dad verbracht hätte und sich ein paar Jahre später sehr darüber gefreut hat, dass er den versprochenen Sportwagen mit 16 bekommen würde. Die Enttäuschung ist groß, dass dies nach so vielen Jahren tatsächlich nicht geschieht und ein verletzter junger Mann seinem Vater jetzt ganz direkt fühlen lässt und sagt, dass er diese Enttäuschung als besonders schmerzhaft empfindet. Das Gespräch klingt aus, jedoch nicht ohne die Gedankenwelt des Vaters unbegründet zu lassen - aber fest steht, dass es dahergequatscht war und nun zu einem dummen Fehler geworden ist. Die Stimmung ist bedrückend und erstaunlich realistisch, da hier nicht nur ein Skript verkörpert wird, sondern eine Erinnerung filmischer Charaktere.

An dieser Stelle ließe sich sagen, dass hier schauspielerisches Talent am Werk ist - ich bin eher dazu geneigt, die Authentizität darin zu suchen, dass hier das leibhaftige Nachempfinden eines Jungen nicht von einem ausgewechselten, älteren Körper dargestellt wird. Klar, dies ist eine Sicht auf sich im Bild harmonisch einfügende Wangenknochen, aber wenn ich schreiben würde, dass der Film durch seine doku-fiktionale Begleitfunktion ein besonders expressives Gefühl in sich trägt, wäre keinem geholfen. Als facettenreiches Pärchen liefern Patricia Arquette und Ethan Hawke im Film eine grundlegende Performance, die die filmische Qualität herstellt, denn mit dem Filmende lässt sich nicht sagen, das der Schlüssel im Drehbuch liegen könnte. Das Gespür Richard Linklaters mit Geschick ein solches Projekt zu managen ist wohl das ihm entsprechende Attribut und schließlich als äußerst lobenswert anzuerkennen.


Titel: Boyhood - USA 2014, 163‘.


Darsteller: Ellar Coltrane, Patricia Arquette, Ethan Hawke, Lorelei Linklater, Tamara Jolaine, Nick Krause, Jordan Howard, Evie Thompson, Sam Dillon, Marco Perella, Brad Hawkins

Regie & Drehbuch: Richard Linklater Produzenten:  Sandra Adair, Richard Linklater, Vincent Palmo Jr., Cathleen Sutherland, Anne Walker-McBay Kamera: Lee Daniel, Shane F. Kelly Schnitt: Sandra Adair

Starttermin: 05. Juni 2014


Dieser Artikel erschien zuerst, in vorangehender Fassung unter:

http://dkritik.de/kritik/boyhood

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