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  • AutorenbildArne K. Fischer

Der rechte Dreck unterm blinden Fleck

Mit Der blinde Fleck ist diesmal kein Wissensbeitrag der Sendung mit der Maus gemeint, auch nicht das gleichnamige deutsche Drama von Tom Zenker aus dem Jahr 2007. Dieser Film von Daniel Harrich mit Benno Fürmann in der Hauptrolle, ist eine Hommage an den Bayrischen Rundfunk-Reporter Ulrich Chaussy, der sich seit 1980 mit übersehenen Themen der politischen Alltagskultur Deutschlands beschäftigt: Das investigative Berichten über blinde Flecke der Medienlandschaft, woran fortwährend z.B. die Krautreporter.de über ihre Crowd-Funding-Plattform und die „Initiative Nachrichtenaufklärung“ arbeiten.

Der Auftakt des Films zeigt Archivmaterial verschiedener TV-Sender, die sich durch die typische 80er-TV-Körnung vom Rest des Films deutlich unterscheiden. Ein heftiger Einstieg, bei dem die weichgespülten Darstellungen aktueller Anschläge harmlos wirken, da sie meist von Blutspuren und Leichentüchern bereinigt sind und häufig symbolische Platzhalter präsentieren. Der Rückblick auf die am 26.09.1980 schlimmsten innerdeutschen Anschläge seit Ende des 2. Weltkriegs, mit 13 Toten und 211 Verletzten, wirkt verstörend - vielleicht besonders für diejenigen, kurz nach den Ereignissen geborenen, deren aktive Medienrezeption erst Anfang der 90er einsetzte, die somit vom Oktoberfest-Anschlag kaum Kenntnis besitzen.

Im Film begleiten wir Ulrich Chaussy durch seine Recherche und müssen wie er feststellen, dass wir nicht die einzigen und ersten sind, die sich mit verschiedenen Motiven für die Ver- und Aufklärung des Falls interessieren. Chaussy verkörpert den betrogenen Bürger, der die politische Verschwörung erahnt, aber erst als dramatisch erfährt, als er selbst in Schwierigkeiten gerät, indem er versucht die Räder des Systems zu justieren. Die historischen Bekenntnisse des Films bleiben gering, stärker rücken Einzelschicksale in den Vordergrund, weshalb Lise Chaussy (Nicolette Krebitz) ihren Mann schließlich um der jungen Familie Willen bittet, den Fall ruhen zu lassen. Doch die Verstrickung ist nicht so leicht zu lösen. Dennoch werden im Film nur leichte Bezüge zur „Wehrsportgruppe Hoffmann“ aufgegriffen, deren heikle Ursprünge der Züricher Historiker Daniele Ganser im Zug der „Gladio“-Ermittlungen 2005 präsentiert, die auf den nationalistischen „Bund Deutscher Jugend“ um 1952 verweisen, was auf die Verstrickung von NATO und CIA in die Finanzierung rechtsextremistischer Einheiten in Deutschland hinweisen würde. Aber dies bleibt vom Film ausgegrenzt und für den nach Tiefe sinnenden Rezipienten unzugänglich. Um die Sphäre einer historischen Dokumentation aufrechtzuerhalten, werden zur Veranschaulichung teilweise zu viele Akten und Bücher gewälzt und die typischen Datumseinblendungen verwendet.

Zurzeit wirkt der Film etwas dem Medienrummel der NSU-Affäre nachgeschoben und scheint damit an kritischen Stimmen vorbeizukommen, die ihn nur etwas besser als eine gelungene Tatort Folge dastehen lassen. „Ein [filmisches] Meisterstück“, wie es die Bayrische Staatszeitung schreibt, ist hier sicherlich nicht entstanden. Das zu verklärende Medienecho verdeckt das aufklärerische Element des Films, was einer nachdrücklichen Aussage sicherlich gut getan hätte. Jetzt klingt sie eher so: Das Leben kann spannend sein, aber misch dich lieber nicht in die wichtigen Dinge ein, sonst kommen böse Menschen wie Dr. Hans Langemann von Heiner Lauterbach gespielt und verursachen dir richtig Stress.

Aus Verpflichtung gegenüber der deutschen Produktion muss man dann vielleicht doch dem „Publikumspreis der Filmkunstmesse Leipzig“ und dem „Friedenspreis des deutschen Films - Die Brücke“ zustimmen.


Der blinde Fleck - Täter. Attentäter. Einzeltäter? - 92‘, D 2013.

Regie & Drehbuch: Daniel Harrich, Ulrich Chaussy Kamera: Tobias Corts, Walter Harrich Produzent: Daniel Harrich Musik: Ian Honeyman Darsteller: Benno Fürmann, Nicolette Krebitz, Heiner Lauterbach, August Zirner, Jörg Hartmann, Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec Verleih: Ascot Elite Filmverleih GmbH Starttermin: 23. Januar 2014


Dieser Artikel erschien zuerst in anderer Fassung unter:

http://dkritik.de/kritik/der-rechte-dreck-unterm-blinden-fleck

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