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  • AutorenbildArne K. Fischer

Der Schaum der Tage

Die visuellen Fantasiewelten Michel Gondrys scheinen einem unerschöpflichen Einfallsreichtum zu entstammen. Selbst die internationale Fassung mit dem Originaltitel L'Ecume des jours, der eine halbe Stunde fehlt, ist so immens, dass Zuschauer den Ideen- und Gedankensprüngen kaum hinterherkommen. Viele der fabulösen Einfälle und Details entstammen der Romanvorlage von Boris Vian von 1946, die als sehr schwierig zu verfilmen galt.

Die Liebesgeschichte von Chloé (Audrey Tautou) und Colin (Romain Duris) rückt gegenüber dem surrealistischen Labyrinth an Bildern in den Hintergrund, manches mag ein bisschen an Vergiss mein nicht! erinnern und tut demjenigen gut, der nicht auf schmalzlastige Romanzen steht. Somit ist die erste halbe Stunde eine Hast durch die Welt von Colin, der in seinem luxuriösen Hochhaus-Appartment von Nicolas (Omar Sy) mit außergewöhnlichen Zutaten bekocht wird und Besuch von Chick (Gad Elmaleh) bekommt, um gemeinsam das Cocktailpiano auszuprobieren.

Begleitet von Jazzmusik lernt sich das Pärchen beim Tanz auf einer Feier der Hautevolee von Paris kennen. Der romantischen Fahrt in der über Paris schwebenden Gondel und dem in Schneeflocken gehüllten Kuss im Tunnel, folgt nach verschwenderischen Vor-Flitterwochen die Hochzeit. Die liebevolle, abstrakte Requisiten- und Effektschlacht setzt sich fort. Nebenbei wird Chick als Spitze der scheiternden Subjekte gegenüber dem karikierten, französischen Philosophen Sartre, als Kritik an der materiellen Gesellschaft gezeichnet.

Dass das Geld eine große Rolle für die Welt um die Charaktere spielt, wird ernsthaft bedeutend, als Chloé lebensgefährlich erkrankt und die Welt um die Freunde herum zerfällt. Die Medizin wird unbezahlbar und Colin fällt durch seine Unfähigkeit zu arbeiten dem existenziellen Abgrund entgegen. Konnten vorher noch Dreiecks-Spekulationen über das leichte Liebesleben in Paris entstehen, wird nun die Einheit der Zwei wichtig. Die Ideologiekritik, wie sie z.B. in Filmen von J.L.Godards Weekend auftaucht, spielt sich im Hintergrund ab und zeigt sich mit dem Verfall der Gemeinschaft, der inhumanen Glaubensfiguren, dem Absterben der fantastischen Natur und dem kontinuierlichen Verlust der Farben.

Michel Gondry selbst taucht als pseudowissenschaftlicher Arzt auf, der schwankend Vertrauen und schließlich Verrat verkörpert. Die Stränge der Liebesgeschichte werden abgehakt und wirken nachträglich besonders hoffnungslos. Wer den Film nicht als gescheitert abhaken kann, muss in den Details der magischen Bilderschrift suchen. Es sind allerdings dermaßen viele wundervolle Animationen und verliebt gebastelte Settings, Beziehungsgeflechte und Gefühlsumbrüche, die in ihrer Schnelligkeit zuviel Konzentration rauben und den bösen Eindruck einer Verhexung anstatt poetischer Magie hinterlassen können.

Der Schaum der Tage / L'Ecume des jours - 94‘ (125‘), Frankreich/Belgien 2013 Darsteller: Romain Duris, Audrey Tautou, Omar Sy, Gad Elmaleh Regisseur: Michel Gondry Romanvorlage: Boris Vian, L'Ecume des jours, frz. 1946, dt. seit 1964 - Titel „Chloé“. Verleih: Studio Canal Budget: 19 Mio €s Starttermin: 03.10.2013


http://dkritik.de/kritik/der-schaum-der-tage/

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