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  • AutorenbildArne K. Fischer

Kathedralen der Kultur

Ich weiß nicht ob das sogenannte 3D-Filmprojekt Kathedralen der Kultur unter der Schirmherrschaft von Wim Wenders wirklich als die Hoffnung des neuen Blicks gelten kann, aber immerhin, alle beteiligten Regisseure vermeiden die gewohnte Effekthascherei des dreidimensionalen Mainstream Kinos.

Sechs eigenständige Kurzfilme von je einem Autor folgen nacheinander. Jeder versucht Rezipient, Kameraführung und Bildobjekt in eine intensive Beziehung zu setzen, wobei Narration und Technik verbunden sein sollen. Es sind Portraits verschiedener Monumentalbauten, deren Portraits sich stark aus dem historischen Hintergrund ergeben bzw. mit den in ihnen stattfindenden, fantastischen Veranstaltungen oder ihrer institutionellen Funktion eine Momentaufnahme zeigen.

Was sicherlich verwundert ist die Ebene des Tons - da die Erwartungshaltung wohl eher einer reinen architektonischen Begehung im Benjaminschen Sinne entspricht. Der oder die narrative Begleitstimme, erzählt eine Geschichte, die sich nicht allein aus den Bildern ergeben würde - einzig vielleicht im Prinzip der panoptischen Haftanstalt Halden, die von Michael Madsen inszeniert wird.

Mit Wim Wenders Portrait der Berliner Philharmonie, wird ihre Geschichte hauptsächlich seit der Erbauung durch Hans Scharoun bis zur Nutzung durch Herbert von Karajans gerahmt. Diese erste Begehung als einer der sechs Teile, bildet einen gelungenen Auftakt, da wir mit der Kamerafahrt über soziale und materielle Barrieren hinwegsteigen und vom Dach durch den Eingangsbereich bis in den Backstagebereich, in die so dargestellte Herzkammer gelangen, die sich aus dem Büro des Leiters der Philharmonie und dem Dirigentenpult ergibt. Die hässlichen Strippen, die als Beschallungs- und Lichttechnik von der Decke baumeln, erscheinen marginal neben dem Klang dieser überbordenden Narration.

Die Inszenierung der russischen Nationalbibliothek des kürzlich verstorbenen Michael Glawoggers ist technischerer Natur und will trotz des Anspruchs auf einen fließenden Blick, der uns strudelartig durch das Archiv führen soll, nicht so recht gelingen. Wer begibt sich schon gerne auf einen langsamen, stetigen, 30-minütigen Schweifzug durch die engen Gänge einer Bibliothek und versucht fortlaufend alle Details der Buchrücken und Regale und Treppen und Stühle und Tische und Bücher und Kammern und Lampen und Fenster und Fußböden und wieder Buchrücken, in drehenden und schwenkenden Bewegungen wahrzunehmen? Es tut mir leid um diesen Nachruf - immerhin habe ich das Gefühl, dass ich auch ohne Visum einmal dort sein konnte.

Die Oper in Oslo von Margareth Olin besucht, ist im Gegensatz zu den anderen mit sehr viel Leben gefüllt. Ich bin 2011 wirklich dort gewesen, konnte die architektonische Fassade spüren, aber ihre wunderbare innere Welt bis zu diesem Film nicht erleben ...

Robert Redford punktet mit dem intellektuellen, eher unbekannten Wissenschaftsstandort des Salk Instituts worüber, die dreidimensionale Begehung beinahe im Hintergrund entschwindet.



Verloren hat nach über zweieinhalb Stunden der mir unbekannte Karim Ainouz, der als letztes mit dem Bauverbrechen des Centre Pompidous zu kämpfen hat, da hier außer Plastikschrott und Fassadenquatsch kaum etwas zu zeigen ist, was auch das Museum im Innern nicht auszugleichen schafft.

Es mögen nur meine ungeübten Augen sein, die das ganze in ihrer dreidimensionalen Länge etwas anstrengend empfanden, sodass ich eher die einzelnen Episoden scherzhaft als pädagogische Teaser vor Blockbustern platzieren würde. Vielleicht, damit sie nicht unnötig durch ihre Abfolge und ihre einfachen Spannungsbögen in Konkurrenz geraten. ... Aber trotzdem, mit einem optischen Abdruck, ganz deutlich - mein Körperempfinden bleibt mit dieser Erinnerung überaus taktil involviert.

Gruß von der Berlinale, Arne


Florian Krautkrämer präsentiert den Film am 16.06.2014 in Braunschweig um 9:30 im C1, in seiner Reihe „Neue Formen des Dokumentarfilms“.


Titel: Cathedrals of Culture - Deutschland / Dänemark / Österreich / Norwegen 2014, 165‘.


Wim Wenders: Berliner Philharmonie – Berlin, Deutschland Michael Glawogger: Russische Nationalbibliothek - Sankt Petersburg, Russland Michael Madsen: Haftanstalt Halden – Halden, Norwegen Robert Redford: Salk Institute – La Jolla, Kalifornien, USA Margareth Olin: Opernhaus – Oslo, Norwegen Karim Ainouz: Centre Pompidou – Paris, Frankreich

Produzenten: Erwin M. Schmidt, Gian-Piero Ringel Excecutive Producer: Wim Wenders Stereographie: Joséphine Derobe

Verleih: Neue Road Movies

Starttermin: 29. Mai 2014


Dieser Artikel erschien in einer vorangehenden Fassung hier:

http://dkritik.de/kritik/kathedralen-der-kultur

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