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  • AutorenbildArne K. Fischer

Ruin / Om Tuk

Ihre Zusammenarbeit haben Amiel Courtin-Wilson und Michael Cody schon mit dem Film Hail in Venedig 2011 unter Beweis gestellt. Jetzt folgt Ruin und zeigt den Qualitätsstandard, den es braucht, um sich heiklen Thematiken einfühlsam und ohne zuviel Autorschaft zu widmen. Ruin wurde fast vollständig in Kambodscha gedreht, die Hauptdarsteller sprechen Khmer, das den Film im Original mit „Om Tuk“ betitelte.

Obwohl Phirun (Ros Mony) und Sovanna (Sang Malen) um Phnom Penh beheimatet sind, wurde ihnen ihr Text souffliert. Der Film kommt ansonsten mit wenig Sprache aus und lässt oft fotografisch-dokumentarische Bilder sprechen. Die Entwicklung scheint ein von Cody vorbereiteter Road-Trip zu sein, dessen besondere Momente sich meist zwischen zwei langen Übergängen in Unschärfe herauskristallisieren.


Für Cody und Courtin-Wilson war die lokale Ausarbeitung und die Nähe zu den Menschen und ihrer modernen Problemlage durchaus wichtig. Es wurden viele Interviews geführt, wobei außer bei Ros Mony, die Auswahl auf Laiendarsteller fiel. Eine einfache, aktuelle Story über die private Hölle in Dritte-Welt-Ländern.

Der Film beginnt gewalttätig. Phirun, der die Facetten der männlich dominierten Gewalt trotz ihrer Grausamkeit in stillen Portraitaufnahmen zu reflektieren scheint, wird nach einer Beleidigung und der folgenden Schlägerei aus der Fabrik geworfen. Sovanna, hat einen Kunden nicht glücklich gemacht und wird dafür geschlagen und eingesperrt, um auf die Nacht und eine weitere Folter zu warten.


Die farbenfrohen Bilder des Filmbeginns sind in Unschärfe getaucht und schnell vergessen. Sie tauchen wieder auf als sich die beiden Hauptdarsteller zufällig auf der Flucht begegnen, während Phirun und Sovanna ziellos die nächtliche Straße entlanggehen und sich die Menge lichtet. Momente des Glücklichen sind in ihrer Geschichte selten zu finden, da die Befreiung oder das gewonnene Geld immer mit Schmerz, Diebstahl oder Mord verbunden ist. Die atmosphärische Musik verdeutlicht die Gefühlslage der ruhigen Momente, in denen das Pärchen kurzzeitig aus der Unklarheit der Welt auftaucht und stetig in die trübe Zukunft weiterzieht. Zwischen den zahlreichen Vergewaltigungsversuchen, die Sovanna über sich ergehen lassen muss, sobald Phirun sie für Minuten aus den Augen lässt und den Augenblicken seiner grausamen Taten um ihr beider Überleben zu sichern, scheint es jedoch unmöglich für die beiden zueinander zu finden - reale und nächtliche Alpträumen wechseln sich ab. Die in den Bann ziehende musikalische Untermalung lässt im Verlauf nach, auch rücken andere Stilmittel der Farb- und Lichtgebung kurzzeitig und effektvoll in den Vordergrund um für Ablenkung zu sorgen. 


Zwei Szenen bleiben besonders in Erinnerung: Das unkommentierte Gedankenspiel zur Mitte des Films, in dem Sovanna und Phirun unter dem weißen Bettlaken liebevoll übereinander sinnieren. Und das Ende des Films, das einer vorherigen Bootsszene gleicht und dieser eine alternative Wendung ermöglicht. Das Pärchen begeht keinen weiteren Mord, sondern wird im Schlaf von zwei Kindern geweckt, um sie in das elterliche Haus zum Schlafen einzuladen.


Filmfestspiele Venedig (Sektion: Orizzonti) Ruin, Australien 2013, 90‘

Regie/Produktion/Drehbuch: Michael Cody, Amiel Courtin-Wilson Executive Producer: Kulikar Sotho Kamera: Ari Wegner Sound: Steve Benwell, Steven Bond Besetzung: Sang Malen, Ros Mony


Dieser Artikel wurde als frühere Fassung hier veröffentlicht:

http://dkritik.de/kritik/ruin-om-tuk/

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