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  • AutorenbildArne K. Fischer

Ständiger Bericht

Aktualisiert: 6. Nov. 2020

[Dieser Bericht entsteht im Zusammenhang mit meinem (experimentellen) interdisziplinären Theorie Seminar "Passage H" an der Hochschule Hannover im Wintersemester 2020]


Die Tage zuvor -3


Neben der großen Stadt, im Außenbezirk. Es verlangt danach. Weniger der Drang nach Geltung als Teilhabe. Ebenfalls anderen diese bieten zu können, andere zu begeistern diesen sterbenden Weg zu nehmen: Lehren. Kulturelle Bildungsarbeit. Unterfinanzierter Sektor der Effizienzgesellschaft. Von außen betrachtet ein Nebenschauplatz.


Am Abend quält mich der Gedanke infektiös zu sein. Heute nach 3 Stunden dicker Stoffatmung dachte ich es zumindest vorschriftsmäßig erledigt zu haben. Das Resultat: ein bisschen Fortschritt - zusätzlich Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Schweißausbruch. Mir ist zu dem Moment nicht ganz klar, ob ich den falschen Schutz habe, ihn falsch anwende. Alle wenden ihn an - nur ich kollabiere, hier in einem westlichen Plattenbau der '60er Jahre. Gedanken meiner Jugend, Zeiten zu denen Ost und West noch akutere Bedeutung haben schließen sich an. '85 eine Katastrophe, die für mich als zusammenhangslose Kindheitserinnerungen mit Plattenbauten, Asbest und giftigem Staub in der Luft für immer verbunden bleibt. Der Staub den wir jetzt atmen ist un- und ähnlich unsichtbar.


Der Gedanke ich sei infektiös stellt sich noch nicht ein, als ob meine in Arbeit versunkene Gedanken es ausblenden. Ich mache eine Pause, dann geht es weiter - das Risiko der Müdigkeit am nächsten Tag legt sich über die Erwartung des Freiraums der abendlichen Zeit. Zumindest heute soll geschafft sein. Die 8 Kilometer Rückweg mit dem Rad sind normalerweise in 20 Minuten zu fahren. Die letzten 2 Kilometer nehmen sich so anders wahr bei drohendem Blackout durch zu viel selbst produziertes CO2.


Zusätzlich die ersten Zweifel:

Ist es nicht meine Atmung - ist es die Infektion aus der Stadt (vgl. Foucault, "Überwachen und Strafen" / Maßnahmen der Stadt-Regierung bei Lepra und der Pest)?

Wie konnten sich meine Lungen mit dem Dunst füllen, der aus einem metropolistischen Moloch aufsteigt (vgl. Lang 1927) ?

Welche Kreise wird meine Verdunstung ziehen?


Ich schließe mich ein. Während zwei Tagen sollen die Symptome zu erkennen sein.

Zwei Tage mutmaßen, zwei Tage Fieber messen, zwei Tage kein Raumwechsel.


Wie ist meine Atmung?

Synchron zum Herzschlag oder will mich dieser verraten?

Wie könnte meine herausredende Erklärung sein?


Beiläufig die Räume anderer: Twitch, Youtube, ein bisschen Arte (Verweis, Text digitale Räume). Ein Konsum der sich im Müßiggang ereignete. Über allem liegt ein Hauch von Polyphia - beruhigende Antimasse.


Hoffnung und Verzweiflung: Wann werden wir erlöst von oben. Ungewissheit und Sicherheit: Wie werden wir erlöst.

Erlösung erzwingt sich im selbst - am Tag, abends bevor es weitergehen muss.


Atem - psychisch okay. (Vgl., Deleuze 1990, "Kontrollgesellschaft" S. xx)

Herzschlag - physiologisch. (Verweis, Jürgen Link, Normalismus/Selbstoptimierung)

Erklärung: Stopp der Informationsflut von zu vielen Kanälen. (Verweis, Informationsräume)


Morgens keine Symptome. Das Fieber war, nun ist es nicht zu messen. Wie vor Wochen schon. Und im Frühjahr. Diesmal war es anders, diesmal war es im Atem.


In welcher Verantwortung handele ich, wenn ich mich mit anderen in Räumen versammele? Meiner? Der Kunst ihrer? Dem systematisch sich fort gebildenden? Die Räume in denen sich vielleicht Luft und Gedanken als Gift von Sorgen mischt. Gewissheit bringt wohl erst wieder das Danach, also hinein.




Der Tag ±0


Passerelle 1, H: Wir treffen uns um 19 im GSV (GoogleStreetView).

Es ist hell, eine Uhr zeigt 13,5. Es ist nicht ganz der geplante Ort.

Wir sind zumindest in der Nähe angekommen. Wir bewegen uns kollektiv.

Ich bin unvorbereitet. Ich muss führen. Ich nehme Medizin.

Osterstraße 22, H. Den ersten Klumpen Kunst überseh ich. Rechts liegt ein silbriges Gebilde. Wir werden vorbei an einem brutalistischen Behälter für motorbetrieben, ausgehöhlte Quader mit Sitzfunktion vorbeigeführt, die alsbald ausrangiert werden sollen.


Der Waschbeton und die Anordnung der Balkone fesseln uns einen kurzen Moment, wer hätte das Gedacht. Vorübergehend kommen wir an. Ein bedächtiger Ort, es lässt sich nicht umschreiben. Farben in der Fassade. Es könnte weniger sein. Ziehe ich diesen Ort vor oder das zuvor passierte? Gedanken an das Fieber sind vorbei, die Medizin, beiläufig Polyphia.


Der Atmen stockt gegenüber der Unplanung, Weite und Verlauf der Unterhaltung. Zuvor hatte ich die Medizin benutzt. Die Medizin wirkt weniger, eher als unliebsames Ritual.

Der Atem im realen Raum wird wieder psychisch - ist er es auch im digitalen?


Ich verlaufe mich beiläufig [LINK]: Das Reden, die Bewegung, das Entertainment.

Wir landen im Grünen, die Route war anders geplant.

Ich verführe mich selbst und die Gruppe abseites.


Bewegen im sitzen [LINK], viele Clicks, viele Gedanken die sich in Wegen bahnen wollen, während dem Reden - multiple Gedankenräume. Vor mir gleichzeitig circa. 9-12 Räume, Personen, weitere Räume. Die Stadt als Hülle irgendwie drum herum, wir drin, aber nicht wirklich.


Wir kommen vorbei an einem vergangenen Ort [LINK]. Er war Gegenstand der letzten Sitzung: Der Matschsee. Der Blick fällt auf das Museum zur linken: Banner bewerben einen weiteren Ort im inneren und zeichnen hiermit das Datum im Jahr 2012.


Es sind 8 Jahre. Es scheint kaum Veränderung zu geben, der Platz wirkt ähnlich. 8 Jahre sind viel, beinah 10. Die ganze Zeit im virtuellen ist es tags, verwaschener Herbst. Zumindest die Luft war damals wohl reiner. Eine Baustelle säumt den weiteren Weg. Reste eines Festes liegen an den Seiten. Ich bin weder interessiert am Festplatz noch am Stadion, bei ersterem war ich letztens - es war offen allerdings abgesperrt, es sah nicht einladend aus. Ich frage mich ob ich mit der Müll-Melde-App der Stadtwerke auch diesen alten digitalen Müll wegräumen lassen kann - wie den, der wöchentlich vor meiner Haustür liegt, eine Dauerdeponie, die Passanten haben entstehen lassen.


8 Jahre vorher kommen wir am Ziel an [LINK]. Eigentlich sollte hier eine Galerie sein, in der ich mindestens 3 Jahre verbracht habe. Diesen Raum den ich, mit anderen, zu einem Ort habe werden lassen. Sie ist noch nicht da, ihre Geschichte ist vor Ort, die Geschichte wirkt dennoch in den jetzigen Raum. Eine Ausstellung, die wir besuchen, angeblich hat es etwas mit Kunst zu tun [LINK].


Wir wechseln hin und her, legen Ebenen übereinander: Webseite, Instagram, Diskussion. Die derzeitige Ausstellung in den Räumlichkeiten ...


Der Tag +1


... Tagsüber draußen ... Erholung.

Park.

Seine / Leine

Benjamin.

Reklame.

Belechtung.



Der Tag +6

...



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